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Ich wohne nun seit einem halben Jahr in Helsinki, und finde es ist Zeit für einen Zwischenreport. Als ich hierhergezogen bin war es gerade mitten im Winter. Die dunkelste Jahreszeit, aber noch ohne Schnee. Ich finde ja das ist eine ganz gute Zeit um irgendwo hinzuziehen, denn dann kann es ja nur noch besser werden. Aber ich mag Winter eigentlich auch ganz gerne, so lange hinterher irgendwann ein richtiger Sommer kommt, und im Gegensatz zu Einwanderern aus südlicheren Ländern war ich ja auch schon an die dunklen Tage gewöhnt. Ich fand aber trotzdem, dass Helsinki nicht gerade eine “schöne” Stadt ist. Es sei mir vergeben, nachdem ich zuvor in Städten wie Edinburgh und Oxford gelebt hatte, die von solch offensichtlicher architektonischer (und auch natürlicher) Schönheit sind. Bei einem Besuch bevor wir hierherzogen stiegen wir auf einen Turm mit Blick über die Dächer von Helsinki: Ich sah keine niedliche, mittelalterliche Stadt vor mir, keine feinen gotischen Türmchen oder grüne Felder und Hügel, wie ich es bisher gewohnt war. Statt dessen sah ich viele eckige Betonblöcke im dunklen Wintergrau, und dachte im Stillen “Ich ziehe also in eine hässliche Stadt. Aber immerhin sind die Wohnungen hier dicht und schimmelfrei…” (in Großbritannien nicht gerade der Normalzustand von Wohnungen). In Helsinki gibt es schon so einige gräuliche Bausünden, vor allem im Stadtzentrum zwischen dem Bahnhof und Kamppi, wo ich zu Anfang (da ich nichts anderes kannte) eigentlich die meiste Zeit verbrachte. Außerdem mag ich große Wohnblöcke einfach überhaupt nicht, sondern bevorzuge Wohngegenden mit gemütlichen Einfamilienhäusern und hübschen Gärten – etwas das in Helsinki so gut wie nicht existiert, zumindest nicht in den Gegenden, die ich bisher kenne.

Ich dachte mir dann also, dass man Helsinki vielleicht einfach nicht im Weitwinkel betrachten sollte, und begann nach den kleinen, hübschen Details Ausschau zu halten, von denen es selbst in Gegenden mit den scheußlichsten Gebdäuden noch genügend gibt. Was mir als erstes auffiel waren die blanken Felsen, die hier und da plötzlich in der Gegend liegen. Helsinki ist auf hartem Granit gebaut, Teil des Baltischen Schildes, und an vielen Stellen in der Stadt kann man den unbehauenen Fels sehen – entlang der Straße (im Winter noch mit pittoresken gefrorenen Wasserfällen dekoriert), mitten in Parks oder entlang der Küste. In einen der Felsen ist sogar eine Kirche hineingeschlagen, die berühmte Felsenkirche Temppeliaukio. Ich wette wenn ich lange genug suche finde ich auch irgendwann einen mit hineingeschlagener Sauna… In Helsinki gibt es auch viele Tunnel, die Geschäfte und U-Bahnstationen verbinden, damit die Leute im Winter oder bei schlechter Witterung leicht von A  nach B kommen. Einige davon sind so in den Felsen gehauen, dass sie natürlichen Höhlen gleichen, einer davon hat sogar Höhlenmalereien mit dabei, in einem anderen kann man Vögelgezwitscher hören. So wird man also auch mitten in der Stadt immer wieder erinnert, dass man nicht weit von der Natur weg ist.

Tunnel in Kaisaniemi

Ich lernte dann zumindest einige der Wohnblöcke zu schätzen: Viele davon sind sehr modern, mit viel Glas, interessanten Formen und begrünten Innenhöfen. Sie sehen aus wie die Beispielzeichnungen in einem modernen Architekturportfolio. Fast alle dieser Gebäude haben große Balkone für viele der Wohnungen, welche normalerweise noch zum Schutz gegen die Witterung verglast sind, weshalb sie die meiste Zeit des Jahres wie ein Teil der Wohnung verwendet werden können. Diese Balkone sind das Equivalent zu kleinen Gärten andererorts: Man kann von der Straße aus hineinspähen, die Dekoration bewundern und sich die Leute vorstellen, die darin wohnen – tun wir doch heimlich alle ;). Was die Gartenzwerge und andere Keramikkreaturen in den Gärten Europas ist maritim inspirierte Dekoration auf Helsinkis Balkonen, und die Begrünung und geschmackvolle Möblierung sind genauso schön anzusehen wie iebevoll gestaltete Gärten anderenorts. Meine Lieblingsgegend zum “Balkongucken” ist übrigens Aurinkolahti, in Osthelsinki.

Dann gibt es da noch die hübschen Stellen, die mich überrascht haben als ich sie unerwartet entdeckte, zum Beispiel ein paar wunderschöne (wenn auch etwas baufällige) Holzvillen über der Bucht Töölönlahti im Stadtzentrum.  Töölönlahti selbst ist auch eine dieser Überraschungen, da man sich hier mitten im Stadtzentrum zwischen Birken und Schilf verstecken kann und Ausblicke über die ruhige Bucht genießen kann. Es gibt auch einen hübschen Wintergarten, welchen man kostenlos besuchen kann und wo man vor allem an kalten Wintertagen fabelhaft picknicken kann. Auf dem Weg zum örtlichen Tiergarten entdeckte ich die hübsche Insel mustikkamaa (Blaubeerland), welche sogar einen Hochseilgarten im Wald bietet. Dann entdeckten wir da noch die Küste an der südlichen Spitze von Lauttasaari, wo viele winzige und hübsche Ferienhäuschen im Wald versteckt liegen. Letzte Woche besuchten wir Hernesaari. Eine künstlich aufgeschüttete Halbinsel, die weit ins Meer hineinragt und mit riesigen, scheußlichen Industriegebäuden bebaut ist. Aber wenn man an der Ostseite der Halbinsel der Industrie den Rücken zudreht hat man die beste Aussicht auf grüne Inseln, einen kleinen Bootshafen und die hübschen Häuser von Eira. An der Spitze von Hernesaari wurde außerdem eine trendige Strandpromenade angelegt, mit Bars, Restaurants, Palmen, Sonnenliegen, (einer Sauna…) und der Atmosphäre gerade im Strandurlaub zu sein. Man muss in Helsinki wirklich nur die Augen offen halten und findet so einige tolle Überraschungen!

Jetzt wo es Sommer ist und alles grünt sieht man auch erst wie grün Helsinki wirklich ist. Es gibt an jeder Ecke Parks, Bäume, kleine grüne und blühende Fleckchen, man kann überall Vögel zwitschern hören und die Luft duftet nach Blumen. Ich habe einen sehr schlechten Orientierungssinn, weshalb ich mich nach 6 Monaten immernoch regelmäßig hier verlaufe. Zum Beispiel fast jedes Mal wenn ich vom Bahnhof in eine Richtung laufe und denke ich weiß, wo ich hingehe, taucht plötzlich Stockmann (ein großes Warenhaus, von dem es im Zentrum nur eines gibt) unerwartet an einer Ecke auf und ich bin wieder komplett verwirrt. Allerdings heißt das auch, dass ich ständig neue Orte entdecke, oft auch ohne nach welchen gesucht zu haben. Vor ein paar Wochen wollte ich nach der Arbeit noch kurz radfahren. Ich wollte einen kleinen Pfad entlang des Meeres nahe bei unserer Wohnung erkunden, aber fand nicht einmal dorthin, da er anscheinend nur durch ein sehr verwirrendes Industriegebiet zu erreichen ist. Statt dessen entdeckte ich einen wunderschönen Park, weniger als 5 Minuten mit dem Rad von unserer Wohnung, mit wunderschönen Aussichten über eine kleine Bucht, ein paar Felsen, die zum Sonnenbaden einladen, viel Grün und Bäumen, hübschen Schrebergärten und einem kleinen Ruderboot, das nur dort zu liegen schien um das romantische Bild zu komplettieren. Ich weiß jetzt schon, dass ich diesen Sommer viel Zeit dort verbringen werde, da es viel schöner und ruhiger ist als der eigentliche Badestrand, von dem aus man Strommasten und andere weniger hübsche Dinge überblickt.

Lapinlahti Lapinlahti Lapinlahti

Es gibt so viele Orte zum Spazierengehen oder Radfahren in Helsinki: die Küste ist nie weit und man kann meistens direkt daran entlanglaufen und die wunderbare Aussicht aufs Meer genießen. Von überall kann man schnell in ruhige, wunderschöne Natur gelangen, wo man leicht vergisst, dass man sich inmitten einer Metropolregion mit 1,4 Millionen Einwohnern befindet. Dann gibt es natürlich die zahllosen Inselchen, von welchen man viele über Brücken oder mit Fähren erreichen kann. Und es gibt wirklich keinen Mangel an bezaubernden Aussichten (selbst im Zentrum, Bäume können so einiges verstecken…), und so konnte ich sogar mein Weitwinkelauge wieder anschalten. Auf diesem Blog habe ich eine extra Seite eingerichtet um die Spaziergänge aufzulisten, die wir in und um Helsinki unternommen haben, da es darüber im Internet sonst wenig zu geben scheint. Die Seite wird sich also hoffentlich schnell füllen.

Suomenlinna

Ich weiß nicht, ob dieses Jahr einfach nur ein Glücksgriff ist, oder ob Helsinki wirklich wesentlich trockener ist als die meisten Orte, an denen ich bisher gewohnt habe. Den ganzen Mai über gab es vielleicht 2-3 Tage die bedeckt waren oder wo es regnete, ansonsten genossen wir den ganzen Monat über blauen Himmel und Sonnenschein, und auch der Juni ist bisher hauptsächlich schön gewesen. Aber selbst davor gab es viel weniger Regen als ich gewöhnt bin. Tatsächlich fühle ich mich mittlerweile etwas erschöpft: Als ich nach Schottland zog lernte ich, dass ich jedes bisschen Sonne nutzen muss, deshalb kann ich jetzt nicht mehr einfach im Haus sitzen und gutes Wetter ignorieren, beziehungsweise, wenn ich es tue, dann fühle ich mich richtig schlecht dabei. Mit der Anzahl sonniger Tage (und die Tageslänge von jetzt fast 19 Stunden!) in letzter Zeit fühle ich mich also ständig, als müsste ich raus und das Wetter genießen. Jammern auf hohem Niveau… Hier noch einige Bilder von schönen Ansichten von Helsinki, die ich in den letzten Monaten entdecken durfte:

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One thought on “Entdeckung der Schönheit von Helsinki

  1. Aha!

    ERROR: Your comment was too short. Please go back and try your comment again. …Hoffe es funktioniert jetzt ^^

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